Sonntag, 14. August 2011

PROTESTE IN ISRAEL "Weder faul noch verwöhnt"

An diesem Wochenende sind die Israelis in die Provinz gefahren um zu protestieren. Immer mehr politisch brisante Fragen rücken in den Mittelpunkt.VON ANDREAS HACKL

Auch Muslime protestierten am Wochenende in Israel. Bild: dapd

JERUSALEM/BEER SCHEVA taz | "Wir wollen die Leute aus ihren Seifenblasen hinaus bringen", erklärte die junge Protestführerin Stav Shafir Ende vergangener Woche. Und genau das ist Samstagabend passiert. In mehr als 50 Bussen sind Aktivisten aus den Großstädten Tel Aviv und Jerusalem in die israelische Peripherie gefahren, um landesübergreifende Solidarität und Einheit zu zeigen. Größere Proteste gab es in Haifa, Beer Scheva und Afula. In 14 weiteren Städten wurden kleinere Kundgebungen abgehalten. Insgesamt gingen rund 75.000 Menschen auf die Straße.

Zwei Stunden vor Beginn der Demonstration werden in Jerusalem gerade noch die frisch gedruckten Transparente präsentiert. Der neue Slogan darauf: "Ohne Jerusalem und Peripherie, keine soziale Gerechtigkeit!" Währenddessen fahren schon die ersten Reisebusse neben dem Zeltlager vor. Sie sollen rund 400 Leute aus Jerusalem in die südliche Stadt Beer Scheva bringen.

Die Aktion sei eine Antwort auf viele böse Anschuldigungen der Regierung, sagt Yael, eine Koordinatorin des Nationalen Studentenverbands. "Angeblich wollen wir alle in den Stadtzentren wohnen, teuer essen und es uns in den Zelten gemütlich machen", spottet sie die Zuschreibungen von Seiten mancher Politiker. "Aber heute zeigen wir, dass wir weder faul noch verwöhnt sind", sagt sie.

Die Proteststimmung taut an diesem Samstag nur langsam auf. Im Bus nach Beer Scheva ist es noch ganz ruhig. Kein Jubel und keine Musik. Nur hie und da werden Gespräche geführt. "Kurz vor Mitternacht fahren wir wieder zurück. Wer zu spät kommt, hat Pech gehabt", warnt eine Stimme durchs Megaphon. Die Sprecherin ist die Studentin Sharon. Auch sie wohnt in Jerusalem im Zelt. "Eine Qual", meint sie. "Ich arbeite jeden Tag. Wenn ich am Abend zurück komme, haben wir im Zeltlager bis spät am Abend Versammlungen. Und der Schlaf ist dort auch nicht gerade großartig." Aber die Anstrengung zahle sich aus. Dieses Wochenende hätten sie über den Entwurf der offiziellen Forderungen abgestimmt. "Jetzt liegt das Dokument wieder in Tel Aviv, wo die Protestführung unsere Anregungen einarbeitet", erklärt sie. Unterdessen verteilt ihre Kollegin gratis T-Shirts, mit dem Logo der Studentenunion darauf.

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